Heute um 20:00 Uhr bin ich bei 71°10´21´´ am Nordkap angekommen. Einen Tag früher als geplant; meine Entdeckervorfahren würden sich wundern. Aber so schwer war das auch gar nicht. Es ist schon eine schöne Straße, aber eben eine asphaltierte Straße mit Brücken und Tunneln. Die Natur nimmt sich immer weiter zurück, nur noch Mose und Grase – der Mensch schafft aber alles in diesen Winkel der Erde. Mal denke ich es wird einsamer, dann kommt nach der nächsten Biegung wieder eine Siedlung, ein Fischerhafen, ein Busdepot.
Ich habe mich entschlossen heute Abend zu fahren, da die Wetter App für morgen früh 3:00 Uhr klare Sicht anzeigt. Und um diese Jahreszeit ist der Sonnenaufgang um 3:00. Perfekt. Die Fahrt war relativ einsam und neblig – man glaubt aber nicht was da so alles unterwegs ist. Neben den mittlerweile obligatorischen Rentieren (ich mache keine Fotos mehr) laufen 2 Menschen mit einem Hund in den 6 km langen Tunnel, dieser führt 9% bergab und ich muss mich mühen den Radfahrer mit Tempo 70 zu überholen. Im nächsten Tunnel kommt mir eine Joggerin entgegen; Nationalität unbekannt.
Ich fühle mich schon gut aufgehoben, am Kassenhäuschen geht alles per Visa und man kann schon gleich das Frühstück buchen. Ich stehe in einer Reihe mit 40 anderen Wohnmobilen und sehe wegen des Nebels nichts. Finde trotzdem den Weg ins Gebäude – hier gibt es ein Hotel, ein Restaurant, ein Kino, natürlich ein Shop, einen Tunnel mit Lichtshow – gut zum Aufwärmen. Es ist halt alles Tourismus und Entertainment. Ich mag mir nicht vorstellen wie das zu Hochzeiten – der Mitternachtssonne – hier abläuft. In der Ausstellung gehen die Bilder bis zur Namengebung des Nordkaps zurück. Erst in den 1960 ern wurde die Straße fertiggestellt. Davor musste man mit dem Schiff anreisen. Auf die Bedeutung der Region im 2. Weltkrieg wird erwähnt. Diese Versorgungsroute wird mir da erst richtig deutlich, die Nähe zu Russland.
Zum Nordpol sind es noch 2.093 km – nach Spitzbergen mit dem Schiff der halbe Weg. Irgendwie interessant das ich Ende nicht akzeptieren mag. Auf auf meiner Marokkoreise stand ganz im Süden die Idee bis zum Senegal zu fahren. Und dann? Mit dem Auto ist jedenfalls hier Schluss.
Es ist der Wendepunkt der Reise. Ab hier geht es Richtung Süden. Es darf wieder wärmer werden (aktuell 4 °C). Es wird wieder Bäume geben. Aber es wird noch einsamer werden – in Lappland.
Es soll mich jemand bitte kneifen: jeder Mensch kann heute zum Nordkap kommen, überall gibt es Versorgung, Wärme und Essen. Für mich ist es ein Glück, das ich mir die Zeit nehme und das mein Umfeld und viele liebe Menschen das ermöglichen.
Eine Flasche Craftsbier aus Senja und 400 Wörter später sitze ich in meiner kleinen Wohnkabine und genieße die Ruhe und Erfüllung.
Morgen hoffe ich auf einen tollen Sonnenaufgang und den ultimativen Blick Richtung Nordpol
15.8.2019 23:35 roland ehry von 71°10´21´´